Elternpflicht und Elternrecht #
Das Sorgerecht im Grundgesetz
Die Grundprinzipien des elterlichen Sorgerechts sind in § 1626 BGB geregelt. Das elterliche Sorgerecht ist durch das Grundgesetz geschützt. In Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist das Erziehungsvorrecht der Eltern gegenüber staatlicher Erziehung geregelt.
Elternpflicht und Elternrecht
Eltern haben Rechte und Pflichten. Das Elternrecht ist ein Recht, welches den Eltern gegeben wurde, damit sie die Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Personen erziehen. Das Elternrecht soll also immer im Interesse und zum Nutzen des Kindes ausgeübt werden. Die Gerichte sprechen deshalb auch davon, das Elternrecht sei ein „fremdnütziges“ Recht – eben ein Recht, dass die Eltern nicht zu ihren eigenen Gunsten sondern zu denen des Kindes haben. Das Bundesverfassungsgericht spricht deshalb bei Pflicht und Recht von „Elternverantwortung“.
Inhaber der elterlichen Sorge #
Sorgerecht setzt Elternschaft voraus
Sorgerecht kann man nur haben, wenn man „Elternteil“, also Mutter oder Vater des Kindes ist. Weil die Mutterschaft eines Kindes immer feststeht, die Mutter also immer ein Elternteil des Kindes ist, hat die Mutter immer die Elterliche Sorge für das Kind.
Beim Vater des Kindes dagegen sieht es anders aus. Sorgerecht kann der Vater eines Kindes zunächst nur dann haben, wenn er auch der rechtliche Vater ist. Ob ein Mann der rechtliche Vater ist, richtet sich nach den Regeln des Abstammungsrechts, die bereits besprochen wurden. Zur Erinnerung: Vater eines Kindes ist nach diesen Regenl der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft für das Kind anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.
Lies: § 1592 BGB
Verheiratete Eltern
Verheiratete Eltern haben automatisch gemeinsames Sorgerecht.
Wird ein Kind in eine Ehe geboren – oder kurz gesprochen: bekommen Eheleute ein Kind, sind beide die Eltern im Sinne des Abstammungsrechts. In diesem Fall (Kind wird in die Ehe geboren) gilt: Beide Eltern haben auch das gemeinsame Sorgerecht.
Lies: § 1626 BGB
Unverheiratete Eltern
Unverheiratete Eltern müssen sich einigen oder die gemeinsame Sorge bei Gericht beantragen.
Wenn Eltern nicht miteinander verheiratet sind, kommt es nicht automatisch zu einem gemeinsamen Sorgerecht. Die Eltern oder ein Elternteil müssen vielmehr aktiv werden, wenn sie ein gemeinsames Sorgerecht herbeiführen wollen. Tun sie nichts, hat nur die Mutter die elterliche Sorge. Die rechtliche Vaterschaft allein reicht für ein Sorgerecht des Vaters in diesen Fällen also nicht aus.
Lies: § 1626a BGB
Es gibt bei unverheirateten Eltern zwei Varianten, um zu gemeinsamer Sorge zu kommen:
Variante 1: Gemeinsame Sorgeerklärung
Die Eltern sind sich einig und geben eine sogenante „gemeinsame Sorgeerklärung“ ab. Die gemeinsame Sorgeerklärung muss öffentlich beurkundet werden. Das Jugendamt am Wohnort führt diese Beurkundungen kostenlos durch.
Variante 2: Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Gericht
Die Eltern sind sich nicht über das gemeinsame Sorgerecht einig. Dann kann ein Elternteil das gemeinsame Sorgerecht unter bestimmten Voraussetzungen auch durch einen Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge bei Gericht „erzwingen“. Einzige Voraussetzung ist, dass die gemeinsame Sorge „dem Kindeswohl nicht widerspricht“. Wenn solche Gründe vom anderen Elternteil nicht glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen werden und auch sonst solche Gründe nicht vorliegen, geht das Gericht davon aus, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Es überträgt dann beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht.
Der andere Elternteil kann das gemeinsame Sorgerecht nur verhindern, wenn er triftige Gründe vorbringt, die aus der Sicht des Kindes gegen eine gemeinsame Sorge sprechen. Es reicht nicht aus, wenn der eine mit dem anderen Elternteil nichts mehr zu tun haben will.
Die Gerichte entscheiden in der Regel für das gemeinsame Sorgerecht. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Eltern am Besten entspricht.
Beispiel:
Ist ein Mann durch Vaterschaftsanerkennung Vater des Kindes geworden, hat er in der Regel auch die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht für das Kind zu bekommen.
Formvorschriften
Die gemeinsame Sorgeerklärung muss persönlich abgegeben werden (§ 1626c BGB). Man kann sich bei Abgabe der Erklkärung also nicht durch eine andere Person (z.B. einen Rechtsanwalt) vertreten lassen. Sie muss außerdem öffentlich beurkundet werden (§ 1626d BGB). Die öffentliche Beurkundung kann kostenlos im Jugendamt (§ 59 Abs. 1 Nr. 8 SGB VIII) oder kostenpflichtig beim Notar erfolgen.
Inhalt der elterlichen Sorge #
Eltern müssen für die Person und das Vermögen des Kindes sorgen (§ 1626 BGB). Das Sorgerecht zerfällt also in die Personensorge und die Vermögenssorge.
Beispiel:
Die Vermögenssorge bezieht sich unter anderem auf eine Erbschaft des Kindes oder auf die Verwaltung eines Grundstücks, das dem Kind gehört. Geht es dagegen um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen des Kindes, ist das keine Sache der Vermögenssorge.
Für die Soziale Arbeit ist das Vermögenssorgerecht vergleichsweise unwichtig, weil die betroffenen Klienten selten Vermögenswerte in nennenswertem Umfang haben. In seltenen Ausnahmefällen kommt es vor, dass Kinder oder Jugendliche Vermögen aus Opferentschädigungsrenten aufgebaut haben. Dann ist es Sache der Personensorgeberechtigten, sich um dieses Vermögen zu kümmern und die Vorschriften zum Schutz des Kindesvermögens zu beachten (siehe §§ 1638 – 1667 BGB).
Von großer Bedeutung ist jedoch der Bereich der Personensorge. Die wichtigsten Bestandteile des Personensorgerechts sind:
- das Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes,
- die Aufsichtspflicht,
- das Aufenthaltsbestimmungsrecht und
- das Vertretungsrecht.
Lies: § 1631 Abs. 1 BGB und § 1629 BGB
Pflege und Erziehung
Unter Pflege versteht man die Versorgung mit dem unmittelbar Notwendigen. Nahrung, Wohnen, Schlafen, aber z.B. auch die medizinische Versorgung (Gesundheitsfürsorge) gehören hierher.
Mit Erziehung ist die Sorge für die sittliche, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes gemeint. Auch Bildung des Kindes und der emotionale und geistige Austausch von Eltern und Kindern ist Aufgabe der Eltern.
Die Eltern haben das Kind gewaltfrei zu erziehen.
Lies: § 1631 Abs. 2 BGB
Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht verpflichtet die Eltern, darauf aufzupassen, dass das Kind nicht zu Schaden kommt und selber keinen Schaden anrichtet. Es ist die Grundlage für die zivilrechtliche Haftung (§§ 823, 832 BGB) der aufsichtspflichtigen Eltern (und davon abgeleitet aller sonstigen Bezugspersonen) für das Kind.
Aufenthaltsbestimmungsrecht
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht spielt in den Auseinandersetzungen um das Sorgerecht eine große Rolle. Denn: Derjenige Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, kann nicht nur im Verhältnis zum Kind dessen Aufenthalt bestimmen („Heute bleibst du zu Hause“). Vor allem kann der aufenthaltsbestimmungsberechtigte Elternteil dieses Recht auch gegenüber anderen Personen geltend machen und unter anderem von diesen das Kind jederzeit herausverlangen.
Im Einzelnen gilt:
Aufenthaltsbestimmung gegenüber dem Kind
Bezogen auf das Kind kann der Elternteil sein Aufenthaltsbestimmungsrecht dahingehend geltend machen, dass es dem Kind einen bestimmten Aufenthaltsort vorschreibt oder verbietet („Zu dieser Party gehst du nicht.“). In der Praxis spielt dieses Recht kaum eine Rolle. Denn als Recht kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht ja nur wirken, wenn es im Zweifel auch im Wege der Zwangsvollstreckung mithilfe staatlicher Gewalt auch durchgesetzt werden kann. Das ist im Verhältnis zum Kind jedoch kaum möglich (vgl. § 90 FamFG). Tatsächlich wirkt das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegenüber dem Kind nicht Kraft seiner Möglichkeit, es gerichtlich und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Es wirkt, weil und solange Kinder sich den Vorgaben der Eltern mit ihrem Willen unterwerfen.
Aufenthaltsbestimmung gegenüber Dritten
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegenüber Dritten ist in § 1632 Abs. 1 BGB konkretisiert. Danach kann der Personensorgeberechtigte und damit auch Aufenthaltsbestimmungsberechtigte die Herausgabe des Kindes von jedem verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.
Lies: § 1632 Abs. 1 BGB
In der Praxis der Sozialen Arbeit spielen vor allem zwei Konstellationenen eine wichtige Rolle: Die Herausgabe des Kindes von Plegepersonen und die Herausgabe des Kindes vom nicht aufenthaltsbestimmungsberechtigten Elternteil.
Herausgabeanspruch gegenüber Pflegepersonen
Kinder werden oft mit Einwilligung der Eltern bei Pflegepersonen untergebracht. Zum Beispiel, weil sie über eine längere Zeitperiode hinweg im Rahmen einer Suchttherapie das Kind nicht betreuuen können. Sind Kinder mit Einwilligung der Eltern bei einer Pflegeperson untergebracht, können die Eltern das Kind jederzeit von der Pflegeperson herausverlangen. Oft machen Eltern von diesem Recht Gebrauch, wenn sie aus ihrer Sicht das Kind wieder betreuen können oder wenn sie ihre frühere Entscheidung bereuen. Sie können dieses Recht auch gerichtlich durchsetzen.
Die Kinder bauen auch zu den Pflegeeltern in der Regel eine soziale Eltern-Kind-Beziehung auf. Auch kann die Einschätzung der sorgeberechtigten Eltern, sie könnten das wieder erziehen, falsch sein. Deshalb kann die Herausgabe des Kindes an die sorgeberechtigten Eltern dem Kindeswohl schaden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber dem Herausgabeverlangen der Eltern Schranken gesetzt:
Das Familiengericht kann in dieser Situation von Amts wegen (also aus eigenem Antrieb) oder auch Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt. Diese Anordnung nennt mann „Verbleibensanordnung“.
Lies: § 1632 Abs. 4 BGB
Zusätzlich kann das Gericht nach der gleichen Vorschrift den dauerhaften Verbleib bei der Pflegeperson anordnen, wenn sich die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht verbessern und der dauerhafte Verbleib bei der Pflegeperson zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Diese Anordnung nennt man „Dauerverbleibensanordnung“.
Herausgabeanspruch gegenüber dem anderen Elternteil
Der Herausgabeanspruch des sorgeberechtigten Elternteils kann sich auch gegen den anderen Elternteil richten. Bringt zum Beispiel der nicht sorgeberechtigte Elternteil das Kind nach einem Umgangskontakt am Wochenende oder in den Ferien nicht wieder zurück, kann der sorgeberechtigte Elternteil die Herausgabe verlangen und auch gerichtlich durchsetzen.
Der Herausgabeanspruch nach § 1632 Abs. 1 BGB kann sich nur gegen den Elternteil richten, der nicht seinerseits sorgeberechtigt ist. Denn sonst vorenthält dieser das Kind nicht „widerrechtlich“.
Lies nochmals: § 1632 Abs. 1 BGB
Da jeder Elternteil unabhängig vom Sorgerecht ein Umgangsrecht hat (§ 1684 Abs. 1 BGB), kann der nicht sorgeberechtigte Elternteil dem Herausgabeverlangen unter Umständen sein Umgangsrecht entgegenhalten. Das setzt aber eine gerichtliche oder gerichtlich protokollierte Entscheidung über den genauen zeitlichen und räumlichen Umfang des Umgangsrechtes voraus.
Konflikte zwischen Eltern über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes werden daher in den meisten Fällen nicht auf der Grundlage des § 1632 Abs. 1 BGB, sondern im Rahmen der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ausgetragen.
Vertretungsrecht der sorgeberechtigten Eltern
Die sorgeberechtigten Eltern vertreten ihre Kinder grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr (= 18. Geburtstag) gegenüber Dritten im Rechtsverkehr. Das Kind kann also grundsätzlich bis zum seinem 18. Geburtstag keine rechtlich wirksamen Willenserklärungen abschließen (lies § 104 BGB, § 106 BGB). Es kann also vor allem keine Verträge abschließen, es kann sich nicht selbst vor Behörden und Gerichten vertreten, es kann keine wirksamen Einwilligungen bei Ärzten abgeben, etc.
Von diesem Prinizp („keine wirksamen Willenserklärungen durch das Kind“) gibt es Ausnahmen:
Minderjährigenrecht
Lies dazu §§ 106-113 BGB, wonach Kinder, die das 7. Lebensjahr vollendet haben, beschränkt geschäftsfähig sind. Mit der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung ihrer Eltern können sie wirksame Erklärungen abgeben. Desweiteren können sie auch wirksame Erklärungen abgeben, wenn diese lediglich einen rechtlichen Vorteil für sie mitbringen, zum Beispiel die Annahme eines Schenkungsangebots. Außerdem gilt der sogenannten „Taschengeldparagraf“ (§ 110 BGB), wonach Kinder wirksame Willenserklärungen abschließen können, wenn sie die Gegenleistung mit Taschengeldmitteln bezahlen.
Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen
Sind die Kinder 15 Jahre alt, können sie selbst ihre eigenen Sozialleistungsansprüche geltend machen und auch entgegennehmen. Wichtig kann das zum Beispiel bei bestimmten Jugendhilfeansprüchen und auch bei Grundsicherungsleistungen sein.
Lies: § 36 SGB I
Wahrnehmung von Beratungsansprüchen und Beschwerderechten im SGB VIII
Im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) sind an verschiedenen Stellen Beratungs- und Beteiligungsansprüche von Kindern geregelt, die diese auch unabhängig von den Eltern geltend machen können (z.B. § 8 Abs. 3 SGB VIII).
Gemeinsames Vertretungsrecht
Sind beide Eltern sorgeberechtigt, müssen sie das Kind grundätzlich gemeinsam vertreten.
Von diesem Prinzip gibt es Ausnahmen:
In Notfällen kann ein Elternteil das Kind stets allein vertreten. Ist nur ein Elternteil sorgeberechtigt, vertritt dieser das Kind alleine. Zum Beispiel bei Einwilligungserklärungen beim Arzt oder im Krankenhaus bei medizinischen Notfällen.
Eine weitere Ausnahme gibt es beim Unterhalt des Kindes: Leben gemeinsam sorgeberechtigte Eltern getrennt, kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen.
Lies: § 1629 Abs. 2 BGB
Schulden des Kindes – Beschränkungen des Minderjährigenhaftung
Eltern können für ihr Kind wirksame Willenserklärungen abgeben. Sie können daher auch Verträge schließen, die zu Schulden für das Kind führen. Schließen zum Beispiel Eltern einen Verbraucherkreditvertrag für einen Computer im Namen des Kindes ab, sind die Schulden aus diesem Kreditvertrag Schulden des Kindes. Das Gesetz schützt die Kinder vor solchen Verträgen: Werden die Kinder 18 Jahre alt, werden sie also volljährig, schulden sie maximal soviel Geld, wie ihnen auch an Vermögen zur Verfügung steht.
Lies: § 1629a BGB
Beispiel:
Die Eltern haben zur Anschaffung eines teuren Computers im Namen des 17-jährigen Kindes einen Ratenkredit über 2.000,- € aufgenommen. Zum Zeitpunkt, als das Kind 18 Jahre alt wird, sind davon 500,- € abbezahlt. Die Restschuld beträgt also noch 1.500,- €. Hat das Kind am 18. Geburtstag zum Beispiel 125,- € auf seinem Konto, schuldet es nur diesen Betrag. Die weiteren 1.375,- € müssen nicht gezahlt werden. Die Kreditbank geht also in Höhe des Betrages von 1.375,- € leer aus.
Meinungsverschiedenheiten der Eltern #
Wenn Eltern sich in einer wichtigen Sorgerechtsfrage nicht einigen können, kann das Familiengericht einem Elternteil das Entscheidungsrecht übertragen.
Lies: § 1628 BGB
Wichtig ist, dass es hier nicht um unbedeutende Fragen des Sorgerechts geht, sondern um Grundsatzangelegenheiten. Das Gesetz spricht von „Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist“. Es geht vor allem um solche Angelegenheiten, die schwer abänderbar sind und die Auswirkung auf die weitere Entwicklung des Kindes haben.
n um Grundsatzangelegenheiten. Das Gesetz spricht von „Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist“. Es geht vor allem um solche Angelegeneiten, die schwer abänderbar sind und die Auswirkung auf die weitere Entwicklung des Kindes haben.
Sorgerecht – Entzug und Beschränkung #
Überblick
Das Sorgerecht kann durch das Familiengericht beschränkt oder entzogen werden. Bei minderjährigen Eltern ist das Sorgerecht bereits durch das Gesetz eingeschränkt.
Das Gesetz kennt folgende Fallgruppen, in den es zum Entzug oder zur Beschränkung von Sorgerecht kommen kann:
- Kindeswohlgefährdung
- Trennung und Scheidung
- Meinungsverschiedenheiten der Eltern
- minderjährige Eltern
- längere Krankheit oder Abwesenheit der Eltern
Bei einer Gefährdung des Kindeswohls kann das Familiengericht ist das Sorgerecht der Eltern eingreifen.
Lies: § 1666 Abs. 1 BGB
Voraussetzungen
Voraussetzungen für einen Eingriff sind:
- eine Kindeswolgefährdung
- Eltern wollen oder können die Gefahr nicht abwenden
Rechtsfolge
- das Gericht muss die „erforderlichen Maßnahmen“ treffen.
Begriff der Kindeswohlgefährdung
„Kindeswohlgefährdung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten nicht nur beschreibende, sondern auch wertende Elemente. Diese müssen durch einzelfallbezogene Auslegung konkretisiert werden.
Nach der Definition des Bundesgerichtshofes gilt: „Eine gegenwärtige, oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung muss abzusehen sein, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.“ (Ständige Rspr. des BGH).
Erforderlich ist eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts („ziemliche Sicherheit“). Damit sind z.B. Umstände in der Vergangenheit nur als Anhaltspunkte für eine gegenwärtige Gefahrenlage beachtlich, im Übrigen aber unerheblich. Andererseits braucht ein Schaden noch nicht eingetreten zu sein. Mit der Formulierung „erhebliche Schädigung“ wird deutlich, dass nicht jeder (prognostizierte) Schaden ausreicht. Eine „schlechte Erziehung“ reicht nicht. Es ist konkret festzustellen, wofür jeweils eine Schädigung droht.
In die Entscheidung über das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung fließen medizinische, psychologische, (sozial)-pädagogische/sozialarbeiterische Erkenntnisse und Wertungen ein. In der Praxis werden hierfür häufig Gutachten durch die Gerichte eingeholt, die zum Beispiel von Kinder- und Jugendpsychiatern, Medizinern oder Sozialarbeitern erstellt werden.
Das Gericht hat eine Einzelfallentscheidung zu treffen und muss alle Aspekte des konkreten Falles und der konkreten Lebenssituation in seine Abwägungsentscheidung einbeziehen. Will man bewerten, ob eine bestimmte Situation eine Kindeswohlfährdung darstellt oder nicht, ist eine präzise Auseinandersetzung mit den Tatsachen erforderlich. Wichtig sind insbesondere folgende Aspekte:
- Gewalt
- Konfliktlösungsverhalten der Eltern
- Normgemäßes Verhalten der Eltern
- Bindungen des Kindes
- Kindeswille
- Gesundheitliche Situation
- Räumliche Situation
- Kindergarten
- Schule
- Haushaltsführung
- Hygiene
Es ist unwichtig, ob die Eltern ein Verschulden trifft. Denn bei § 1666 geht es um Gefahrenabwehr und nicht um Bestrafung der Eltern.
Auch ist unwichtig, warum die Eltern die Gefahr nicht abwenden. Ob sie nicht bereit sind die Gefahr abzuwenden oder ob sie dieses aus Unfähigkeit nicht können, ist irrelevant.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Mit der Formulierung „erforderliche Maßnahmen“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass bei jedem Eingriff in Elternrechte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt. Wurde eine Kindeswohlgefährdung festgestellt, muss das Gericht diejenige Maßnahme wählen, die einerseits geeignet ist, die Kindeswohlgefährdung sicher abzuwenden, gleichzeitig muss es aber bei mehreren zur Verfügung stehenden Maßnahmen das „mildeste Mittel“ wählen.
Beispiel:
Soll das Kind wegen schwerer Vernachlässigung bei Pflegeeltern untergebracht werden, ist davon das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern betroffen. Wenn die Eltern sich nach Beratung durch das Gericht mit der Unterbringung bei Pflegeltern einverstanden erklären, bedarf es keines Sorgerechtseingriffes. Die Beratung ist dann ausreichend gewesen. Ein Sorgerechtseingriff wäre nicht rechtmäßig, weil nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Sind die Eltern dagegen mit einer Unterbringung bei Pflegeeltern nicht einverstanden, zeigen sie aber Bereitschaft, weiter an der Erziehung des Kindes mitzuwirken, kommt ein teilweiser Entzug der elterlichen Sorge, nämlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Frage. Ein vollständiger Entzug wäre nicht erforderlich, weil das Ziel, das Kind bei Pflegeeltern unterzubringen, durch den bloßen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts erreicht werden kann.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist schon in § 1666 BGB verankert. Wegen seiner Bedeutung hat der Gesetzgeber in § 1666a in sogenannten Regelbeispielen beispielhaft konkretisiert, welche gerichtlichen Maßnahmen eingeleitet werden können. Die Aufzahlung folgt dabei der „Logik“ der Verhältnismäßigkeit vom leichten zum intensiven Eingriff.
Lies: § 1666 Abs. 3 BGB
Der teilweise oder vollständige Entzug der elterlichen Sorge (§ 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB) ist daher das letzte Mittel.
Umgangsverbote gegen Dritte
Es können auch Umgangsverbote gegen Dritte verfügt werden.
Lies: § 1666 Abs. 3 Nr. 3, 4 BGB.
Vorrang öffentlicher Hilfen, insbesondere Jugendhilfe
Das Gesetz verbietet den Familiengerichten, das Kind von der elterlichen Familie zu trennen, wenn nicht zuvor versucht wurde, mit öffentlichen Hilfen, insbesondere mit Mitteln der Jugendhilfe, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden.
Lies: § 1666a Abs. 1 BGB.
Vormunds- und Pflegerbestellung bei Sorgerechtsentzug
Entzieht das Gericht auf Grund einer Kindeswohlgefährdung das Sorgerecht ganz oder teilweise (§ 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB), hat das Kind im Falle des vollständigen Entzuges keinen Sorgeberechtigten mehr, im Falle des teilweisen Entzugs in diesem Bereich keinen Sorgeberechtigten mehr. Das fehlende oder lückenhafte Sorgerecht muss daher durch eine andere Person ersetzt werden.
Entzieht das Gericht das Sorgerecht ganz oder teilweise, muss es diese Lücke im Sorgerecht gleichsam „in einem Atemzug“ mit dem Entzug der elterlichen Sorge schließen.
Entzieht das Gericht das Sorgerecht vollständig, muss es einen Vormund bestellen.
Lies: § 1773 Abs. 1 BGB.
Der Vormund übt an Stelle der Eltern das Sorgerecht aus. Er bestellt vertraglich eine Pflegeperson, die sodann in Angelegenheiten des täglichen Lebens für das Kind entscheidet.
Lies: § 1789 Abs. 1 BGB und § 1688 Abs. 1 BGB.
Im folgenden Bild ist der Sorgerechtseingriff bei vollständigem Entzug schematisch dargestellt.
Entzieht das Gericht das Sorgerecht nur teilweise, bestellt das Gericht für den „fehlenden“ Teil einen bzw. eine Ergänzungspflegerin (nicht zu verwechseln mit der Pflegeperson nach § 1688).
Lies: § 1809 Abs. 1 BGB.
Dieser übt im Bereich des entzogenen Teils der elterlichen Sorge das Sorgerecht aus. Das folgt aus einem Verweis in § 1915 Abs. 1 BGB, der unter anderem auf § 1793 Abs. 1 BGB verweist.
Lies: § 1813 Abs. 1 BGB und § 1789 Abs. 1 BGB
Der Pfleger nach § 1909 BGB wird auch „Ergänzungspfleger“ genannt (siehe die Überschrift zu § 1909 BGB). Diese Wortwahl trifft die Funktion des Ergänzungspflegers gut, denn dieser tritt mit seinem Teil-Sorgerecht neben die Eltern. Das Sorgerecht ist in diesem Fall also aufgeteilt. Einen Teil des Sorgerechts hat der Ergänzungspfleger, der Rest bleibt bei den Eltern. In der Praxis wird oft allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und einem Pfleger übertragen. Die Eltern behalten dann den Rest der elterlichen Sorge.
Im folgenden Bild ist der Sorgerechtseingriff bei teilweisem Entzug am Beispiel eines Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts schematisch dargestellt.
Beteiligung des Jugendamtes
Das Familiengericht hat in allen die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten, das Jugendamt anzuhören. Daher ist das Jugendamt auch in allen Verfahren nach § 1666 BGB anzuhören.
Lies: § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG